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Aktuelle Untersuchungen zu Acrylamid im Filterkaffee

In diesem Artikel geht es um das Thema Acrylamid im Filterkaffee. Hier erfahren Sie mehr.

Acrylamid

Acrylamid ©iStockphoto/Zerbor

Fakt ist: Kaffee gehört zu den beliebtesten Getränken in Deutschland. Ein Durchschnittsbürger trinkt rund 165 Liter Filterkaffee im Jahr. Vor allem Filterkaffee, der praktisch abgepackt wird, überall erhältlich und relativ günstig ist, gehört zu den Favoriten, der durch das Gerichtsurteil in Verruf gerät. Was steckt tatsächlich hinter der Gefahr in den Tassen?

Acrylamid im Filterkaffee – Was ist Acrylamid und wann wurde es entdeckt?

Der chemische Stoff Acrylamid entsteht während der Bräunungsreaktion beim Frittieren, Braten oder Backen von stärkehaltigen Nahrungsmitteln. Dadurch kann er durch eine große Menge an Lebensmittel im Körper aufgenommen werden. Einen besonders hohen Acrylamid-Gehalt haben Getreideprodukte wie beispielsweise Knäckebrot oder Lebkuchen sowie Kartoffelprodukte wie z. B. Pommes frites und Chips.

Im Jahr 1997 kam es in Schweden zu einem folgenschweren Unfall beim Tunnelbau. Mitten beim Bau eines neuen Tunnels kam es zu einem Wassereinbruch. Mit der Hilfe eines bestimmten Kunststoffes auf der Basis von Polymer versuchten die Arbeiter den Wassereintritt so gut wie möglich zu stoppen. Leider mit wenig Erfolg, denn der Kunststoff verhärtete sich nicht so, wie es eigentlich vorgesehen war. Dadurch gelangten einige Stoffe des Mittels in das Grundwasser im schwedischen Südwesten. Zuerst kam es zu keinerlei Befürchtungen, dass dadurch etwas Schlimmes passieren konnte, bis in einem nahe gelegenen Teich die Fische qualvoll verendeten und Kühe, die in der Nähe des Tunnelunglücks weideten, zu torkeln begannen, wie nach einem enormen Alkoholkonsum. Auch die Arbeiter klagten über Schwindel und andere Beschwerden.

In den anschließenden Untersuchungen wurden die konkreten Zusammenhänge ermittelt, wobei unter anderem herauskam das Acrylamid, eine bereits lang bekannte Chemikalie für Kunststoffe, in das Grundwasser gelangte und dadurch die Tiere verendeten. In weiteren Untersuchungen mit den Arbeitern wurde ein extrem hoher Acrylamid-Gehalt festgestellt, der nicht nur mit der freigesetzten Menge an der Baustelle zu erklären war. Daraufhin forschten Wissenschaftler weiter, bis klar war, dass die Substanz in hohen Mengen vorhanden ist, bei Lebensmitteln, die Eiweiße (Aminosäure Asparagin) und Zucker (Glucose, Fructose) enthalten, die bei starker Hitze reagieren und somit Acrylamid bilden.

Acrylamid im Filterkaffee – Krebserregende Wirkung bisher nur in Tierversuchen bestätigt

Bisher wurde lediglich die krebserregende und erbgutschädigende Wirkung des chemischen Stoffes durch Tierversuche bestätigt. Inwiefern das auch auf die Menschen zutrifft, ist noch nicht ausreichend untersucht bzw. abschließend geklärt.

Im Jahr 2015 wurden von der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) nachfolgende Ergebnisse veröffentlicht:
• Aufgrund der Tierversuche wurde von der EFSA bestätigt, dass Acrylamid in Nahrungsmitteln das Krebsrisiko für alle Verbraucher jedes Alters erhöht.
• Die Hauptquellen bei Erwachsenen sind frittierte bzw. gebratene Kartoffelprodukte (49 %), Kaffee (34 %) und geröstetes Toastbrot (23 %).

2016 wurde von der International Agency for Research on Cancer (IARC) Acrylamid in die Gruppe wahrscheinlich karzinogen (krebserregend) für den Menschen eingeteilt.

Wie entsteht die gefährliche Substanz im Filterkaffee?

Beim Rösten von Kaffeebohnen entsteht die Substanz Acrylamid, wobei der Gehalt sowohl von der eingesetzten Temperatur als auch vom Röstgrad abhängt. Vor allem löslicher Kaffee und weitere Kaffeeersatzprodukte wie Getreidekaffee enthalten dabei weit mehr Acrylamid als herkömmlicher Bohnenkaffee.

Der chemische Prozess, der beim Rösten dafür verantwortlich ist, dass die chemische Substanz gebildet wird ist die „Maillard-Reaktion“. Dieser bestimmte Prozess ist nicht nur für die Bräunung der Kaffeebohnen zuständig, sondern auch für die Bilder der Aromastoffe. Während der Maillard-Reaktion kann es ab ca. 200 °C in weiterer Folge zu der Bildung von Acrylamid kommen. Untersuchungen ergaben das im industriell hergestellten Kaffee, der lediglich für wenige Minuten in einem Heißluftröster geröstet wird, weit mehr der chemischen Substanz gebildet wird, als bei Kaffee der eine schonende Trommelröstung genießt.

Acrylamid im Filterkaffee – Wieviel Acrylamid ist im Kaffee enthalten?

In Deutschland galt bis 2010 ein Signalwert von 208 Mikrogramm je Kilogramm Kaffee. Bei einer Überschreitung wird der Hersteller von Überwachungsbehörden der Länder darauf hingewiesen, den Acrylamid-Gehalt zu reduzieren. Einheitliche Werte der EU wurden 2011 eingeführt, wobei der neue Richtwert 60 % höher ist als bisher (450 Mikrogramm je Kilogramm).

Bei einer Stichprobe von MARKT (NDR Wirtschafts- und Verbrauchermagazins) wurden acht verschiedene Filterkaffeesorten unterschiedlicher Hersteller auf deren Acrylamid-Gehalt überprüft. Die folgenden Produkte wurden untersucht:

• Dallmayr Prodomo
• Eduscho Gala Nr. 1
• Jacobs Krönung
• Jacobs Auslese Klassisch
• Markus Kaffee Gold
• Melitta Auslese Klassisch
• Mövenpick Der Himmlische
• Tchibo Feine Milde

Positiv hervorzuheben ist zwar, dass bei keiner der Kaffeesorten der europäische Richtwert überschritten wurde, jedoch gibt es vier Sorten, bei denen der Gehalt um einiges höher ist als der Signalwert von 2010. Die Sorte mit dem höchsten Acrylamid-Wert ist der Kaffee von Eduscho (431 Mikrogramm je Kilogramm), gefolgt von Tchibos Feine Milde, Jacobs Krönung und der Jacobs Auslese Klassisch. Einen besonders geringen Gehalt wurde in den Sorten Prodomo von Dallmayr und der klassischen Auslese von Melitta ermittelt.

Wie reagierten die betroffenen Hersteller auf die hohen Acrylamid-Werte?

Die Hersteller der betroffenen Marken beriefen sich natürlich auf die europäischen Richtlinien, womit diese auch im Recht sind, denn dafür gibt es solche europaweite Regelungen. Darüber hinaus argumentierten diese damit, dass es nicht möglich sei, den Acrylamid-Gehalt zu reduzieren ohne Auswirkungen auf die Qualität bzw. des Geschmacks des Filterkaffees. Dass es jedoch trotzdem machbar ist, bewiesen beispielsweise die Proben der Hersteller Dallmayr und Melitta. Auch bei einer Stichprobe des Günstiganbieters Aldi kam heraus, dass der dort angebotene Filterkaffee weniger als die Hälfte an Acrylamid aufwies, als von den europäischen Richtlinien vorgegeben.

Warum wurde trotz Warnung durch Verbraucherschützer der Signalwert durch die EU erhöht?

Verbraucherschützer wissen zwar um die Gefahr von Acrylamid, sind aber gegen die einheitlichen vorgegebenen europäischen Richtlinien hilflos. Bereits seit 2002 werden die verschiedenen Lebensmittelproduzenten dazu aufgefordert, den Acrylamid-Gehalt so gering wie möglich zu halten, doch mit dem eingeführten Signalwert von 2011 wurde schnell klar, dass der Kampf der Verbraucherschützer verloren ist. Der höhere Richtwert wurde recht schwammig begründet, der eigentliche Grund sollte aber jedem klar sein: Die Kaffeeindustrie ist eine Branche mit Umsätzen in Milliardenhöhe, die auch in Zukunft möglichst maximiert werden sollen.

Wie ist die Wirkung von Acrylamid auf unseren Körper?

Da Acrylamid wasserlöslich ist, wird es vom menschlichen Körper durch den Stoffwechsel ins Blut aufgenommen und anschließend in die Organe verteilt. In der Leber wird aus der chemischen Substanz die Verbindung „Glycamid“ gebildet, was mit den körpereigenen Proteinen und mit der DNA reagiert. In diesem Zusammenhang wird Acrylamid eine krebserregende und nervenschädigende Wirkung nachgesagt.

In aussagekräftigen Tierversuchen wurde bereits die Entstehung von bösartigen Tumoren durch die gefährliche Substanz bewiesen, genauso wie die erbgutschädigende Wirkung. Durch epidemiologische Studien an Menschen konnte in den letzten Jahren jedoch die krebserzeugende Wirkung noch nicht endgültig bewiesen werden, da die aufgenommene Menge an Acrylamid noch zu gering war, um eine abschließende Aussage zu treffen.

Allgemein kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die Wirkung der Substanz vor allem bei Kindern und Jugendlichen sehr bedenklich ist. Der Grund dafür ist das geringere Körpergewicht im Vergleich zur aufgenommenen Acrylamidmenge in Lebensmitteln.

Gibt es eine täglich tolerierbare Aufnahmemenge von Acrylamid?

Laut der Österreischischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) gibt es für die Substanzen Acrylamid und Glycidamid keine täglich tolerierbare Aufnahmemenge, da beide Stoffe Krebs erzeugen bzw. das Erbgut schädigen können. Bislang gibt es noch keinen festgelegten Wert für Verbraucher, bei dem kein Risiko entsteht. Aufgrund dessen gibt es bisher auch noch keinen gesetzlichen Höchstgehalt für Acrylamid in Nahrungsmitteln. Für etwaige Schadstoffe, die Krebs erzeugend und erbgutschädigend sind, gibt es das sogenannte ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable, was so viel bedeutet wie: so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar). Dieses Prinzip besagt, dass alle vernünftigen Maßnahmen getroffen werden müssen, um den Acrylamid-Gehalt so niedrig wie möglich zu halten.

Wie kann man sich als Verbraucher vor einem zu hohen Acrylamid-Gehalt im Kaffee schützen?

Die portugiesische Wissenschaftlerin Rita C. Alves fand heraus, dass es hinsichtlich der Kaffeesorten deutliche Unterschiede beim Gehalt von Acrylamid gibt. Die Studienergebnisse, die im Fachmagazin „Royal Society of Chemistry“ veröffentlicht wurden, zeigten eindrucksvoll, dass die Verbraucher besser zu der Sorte „Arabica“ statt zu der Sorte „Robusta“ greifen sollen. Auch die Röstung spielt eine große Rolle beim Acrylamid-Gehalt. Generell gilt, dass helle Röstungen deutlich weniger von der chemischen Substanz enthalten als dunkle Röstungen. Besonders bekömmlich und magenfreundlich ist der Kaffee, wenn dieser bei maximal 220 °C langsam geröstet wird.

Im Vorteil sind diejenigen, die in der Nähe einer Kaffeerösterei wohnen und fragen können, wie der Kaffee geröstet wurde. Wenig empfehlenswert sind, aufgrund des hohen Gehalts an Acrylamid, die sogenannten „Instantkaffees“, die aber auch aufgrund des Geschmacks und des Aromas nicht zu herkömmlichen Röstkaffee rankommen. Generell sollte beim nächsten Kaffee keine Panik aufkommen. Am besten wird zu den Siegermarken der Stichprobe von MARKT gegriffen bzw. es empfiehlt sich der Gang in eine kleine Kaffeemanufaktur sowie der Erwerb im Internet von besonders langsam geröstetem Filterkaffee. Diese Kaffeeprodukte sind zwar etwas teurer, dafür schadstoffunbelasteter.

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